Auftakt für ORA Early Music Festival

15.03.2024
News
© Christian Schneider

Mit der 1. Ausgabe des neuen interdisziplinären ORA Early Music Festivals feiert die Universität Mozarteum von 21. bis 23. März eine besondere Premiere. An drei Tagen vereinen sich in zahlreichen Konzerten und Klangperformances Alte Musik, zeitgenössische Tonsprache und Improvisation.

„ORA – das Jetzt, der Moment von Gegenwart und Unendlichkeit zugleich wird in der Musik unmittelbar zum Erlebnis. ORA ist mehr als ein Geheimtipp! ORA ist Gegenwart, ist Mozarteum, ist Originalklang“, freut sich Rektorin Elisabeth Gutjahr in ihrer Grußbotschaft zum Festivalprogramm, das unter der künstlerischen Leitung von Dorothee Oberlinger (Blockflöte), Vittorio Ghielmi (Viola da Gamba), Florian Birsak (Cembalo) und Simone Fontanelli (Komposition und Dirigieren) entstanden ist. 

Der Festivalauftakt wird am Geburtstag Johann Sebastian Bachs am 21. März im Großen Saal der Stiftung Mozarteum begangen – mit Musik des Meisters selbst, gepaart mit zeitgenössischen Kompositionen, die sich auf Werke Johann Sebastian Bachs beziehen. Bachs Musikalisches Opfer BWV 1079, das im ersten Konzert des Abends erklingt, inspiriert bis heute Tonkünstler:innen zu Neuinterpretationen, Nachschöpfungen und Neuschöpfungen. In den Kanons und den beiden Ricercare zeigt sich Bachs unerreichbare Meisterschaft auf dem Gebiet der Polyphonie. In der Triosonate vereint sich diese schließlich mit der gängigen Musiksprache des Spätbarocks. Bach markiert hier fraglos den musikgeschichtlichen Höhepunkt dieser Gattung. Als Kontrapunkt werden Werke des 20. und 21. Jahrhunderts von Isang Yun und Wen-Chen Wei, aber auch andere Werke aus Bachs Feder erklingen.

Die bedeutendsten Orgelwerke von Bach – auch sie ein Meilenstein in der Musikliteratur – kommen im zweiten Konzert des Abends „Bach alive“ zur Aufführung. Allerdings nicht auf der Großen Orgel der Stiftung Mozarteum, sondern in einem Arrangement, gespielt von der Bläserphilharmonie der Universität Mozarteum unter der Leitung von Andreas Martin Hofmeir. Statt vom Spieltisch gesteuerte Pfeifen sind alle klassischen Blasinstrumente zu hören: „Bach auf einer quasi lebendigen Orgel zu dirigieren ist für mich ein Traum, und zugleich eine große Herausforderung: Wie gehen wir um mit unserer Flexibilität in Bezug auf Artikulation, Dynamik, Klanggestaltung? Wie werden wir den Werken gerecht, die Bach für sein ureigenstes Instrument, die Orgel, ersonnen hat? Und inwieweit dürfen wir die Möglichkeiten nutzen, die die vielen unterschiedlichen Musiker:innen anzubieten imstande sind? Es wird ein wunderbares Experiment!“

Dazu ertönt die große Fantasie „Bachseits“ von Johannes Stert und die mit Spannung erwartete Uraufführung einer Komposition des russisch-ukrainischen Komponisten Vladimir Tarnopolski über den Bachchoral „Das alte Jahr vergangen ist“. Tarnopolski lebt derzeit im Exil in München: „Vladimir Tarnopolskis Das alte Jahr vergangen ist: 2022 trägt den Untertitel Variationen über einen Choral von J.S.Bach. Der besondere Inhalt dieses Chorals von J.S. Bach in Kombination mit der Jahreszahl 2022 bringt uns in eine tiefe Verbitterung über das, was in der Ukraine geschehen ist, und das enorme Gefühl der Hilflosigkeit des Komponisten der Geschehnisse gegenüber. In einer solchen Situation kann der Komponist, der Künstler, nur seine Musik schreiben, die vielleicht im Herzen der Zuhörer:innen nachhallt und all die Trauer zum Ausdruck bringt. Die Kombination von alten und modernen Instrumenten in einem einzigen Ensemble und die starke expressive Wirkung dieses Stücks machen diese Weltpremiere besonders relevant und einzigartig“, resümiert Dirigent Simone Fontanelli.

Am Freitag, den 22. März, steht die traditionelle Barocknacht des Departments für Alte Musik auf dem Programm, die 2024 ganz im Zeichen des „stile moderno“ steht. In fünf Konzerten werden revolutionäre und bahnbrechende Werke der Alten Musik am Scheideweg von Epochen und Gegenwartskompositionen für Instrumente des Originalklangs in Konkurrenz treten. „Im Sommer 2023 wurde an der renommierten Accademia Chigiana in Siena, Italien, ein spezielles Kompositionslabor für Alte Instrumente angeboten – als Teil der Barocken Sommerakademie, die das Department für Alte Musik der Universität Mozarteum in Kooperation dort veranstaltet. Dieses besondere Laboratorium – ein echtes Novum unter den Sommerkursen – bot jungen Komponist:innen die Möglichkeit, an ihren eigenen Kompositionen zu arbeiten und dabei mit der poetischen und ästhetischen Welt der antiken Instrumente und ihres Klangs in Berührung zu kommen. Der Kurs war äußerst erfolgreich! Im Rahmen der Barocknacht 2024 werden wir die Gelegenheit haben, drei dieser Kompositionen zu hören, alle für Viola da gamba-Ensemble, komponiert von Andreas Bäuml, Luisa Antoni und Chiara Mallozzi“, erzählt Simone Fontanelli. Der Passionszeit entsprechend wird außerdem auch „Membra Jesu nostri“, ein Zyklus von sieben mystischen österlichen Kantaten von Dietrich Buxtehude unter der Leitung von Vittorio Ghielmi und Jörn Andresen zu hören sein – der Höhepunkt deutscher Kantatenkompositionen des 17. Jahrhunderts.

In der Langen Nacht im Foyer der Universität Mozarteum treffen am Samstag (23. März) schließlich Terry Riley’s „In C“ auf die „Barbarische Schönheit“ osteuropäischer Volksmusik. Ausgewählte Studierende aus den Bereichen Volksmusik, Schauspiel, Tanz, Instrumentalstudium und Gesang spielen – inszeniert vom deutschen Regisseur Ludger Engels und unter musikalischer Leitung von Dorothee Oberlinger – die berühmte aleatorische Komposition des amerikanischen Komponisten Terry Riley. Als Parenthese stoßen in einer Art Jam-Session der tschechische Geiger Stanislav Palúch und der moldawische Cymbalom-Spieler Marcel Comendant dazu, die in Georg Philipp Telemanns Musik die von ihm so betitelte „Barbarische Schönheit“ slawischer und tschechischer Musiktradition wiederfinden. „In einem synergetischen Brückenschlag verbindet ORA Alte mit Neue(ste)r Musik – hier trifft Originalklang auf Zukunftsmusik aus fünf Jahrhunderten, auf Improvisation, Uraufführungen und musikalische Rauminstallation“, freut sich Dorothee Oberlinger.

Die Preview des neuen Festivalformats der Universität Mozarteum lädt das Publikum in eine Zeitreise durch die Jahrhunderte ein. Alte Musik erfindet sich neu, begegnet zeitgenössischer Musik und ungewöhnlichen Konzepten. Hier werden neue Wege erobert, um Zukunftsmusik aus fünf Jahrhunderten zu feiern. Das ORA Early Music Festival versteht sich außerdem als Auftakt zur Etablierung eines größeren Originalklang-Festivalformats, bei dem in Zukunft neben performativen und interdisziplinären Aspekten besonders auch die historischen Spielstätten und die Musiktradition der Barockstadt Salzburg verstärkt in den Blick genommen werden.

 

*Der Beitrag erscheint am 16. März in den Uni-Nachrichten der Salzburger Nachrichten.